Am 23. Juni dieses Jahres hat sich die Mehrheit des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland im Rahmen eines Referendums dafür entschieden, die Europäische Union zu verlassen. Der nun wohl bevorstehende Austritt ist der erste seiner Art und dementsprechend viel Unruhe und vor allem Unsicherheit hat der sog. Brexit – auch im Bereich des Schutzes Geistigen Eigentums – mit sich gebracht.

Fragen auch Sie sich nun, welche Veränderungen sich für Ihre bestehenden oder geplanten, grenzübergreifenden Patente, Marken oder Geschmacksmuster ergeben und ob – und wenn ja, welche – Maßnahmen Sie bereits jetzt ergreifen sollten, um Ihre Rechte zu schützen?

Gerne geben wir Ihnen darauf im Folgenden erste Antworten.

  1. Europäische Patente (mit einheitlicher Wirkung)

Hinsichtlich Ihrer Patente mit Wirkung in Europa gilt es zunächst zu unterscheiden: Auf bereits erteilte Europäische Patente wird auch ein möglicher Brexit keine Auswirkungen haben, handelt es sich bei ihnen doch um sog. „Bündel-Patente“, die nach ihrer Erteilung in einzelne nationale Schutzrechte in den Vertragsstaaten des EPÜ (Europäisches Patentübereinkommen) zerfallen, welche wiederum unabhängig von Ihrer Mitgliedschaft in der EU bestehen. So bleibt Großbritannien auch nach einem Austritt aus der EU Unterzeichner dieses Übereinkommens und damit Vertragsstaat, in dem Europäische Patente ihre Wirkung entfalten können; Handlungsbedarf besteht diesbezüglich daher nicht.

Anderes gilt hingegen hinsichtlich des für 2017 geplanten sog. „Europäischen Patents mit einheitlicher Wirkung“ (auch: Einheits- oder EU-Patent), welchem wiederum auf Antrag des Patentinhabers eine einheitliche Wirkung für das Hoheitsgebiet derjenigen – derzeit noch 25 – Mitgliedsstaaten (inklusive Großbritannien) verliehen werden wird, welche an der sog. Verstärkten Zusammenarbeit teilnehmen. Zwingende Voraussetzung für die Teilnahme an dieser Verstärkten Zusammenarbeit ist wiederum die Mitgliedschaft in der EU, weshalb ein etwaiges Einheitspatent im Falle des Brexit in Großbritannien gerade keine Wirkung entfalten würde. Darüber hinaus dürfte ein Austritt Großbritanniens zu weiteren Verzögerungen im Verfahren der Einführung dieses EU-Patents führen, da der zugrundeliegende Rechtsrahmen angepasst werden müsste, wobei die Verlegung der bisher in London geplanten Außenstelle des Patentgerichts wohl noch eine der geringeren Schwierigkeiten darstellen dürfte.

Das Preparatory Committee des EPÜ hat jedenfalls in Anbetracht der Tatsache, dass sich etwaige Austrittsverhandlungen nach Art. 50 EUV mindestens noch ca. zwei Jahre hinziehen dürften, beschlossen, seine Arbeit zunächst wie bisher fortzuführen und neuere Entwicklungen abzuwarten.

  1. Unionsmarken

Anders als im Rahmen der vergleichsweise noch in den Anfängen steckenden Bestrebungen um einen einheitlichen, europäischen Patentschutz wurde ein solcher in Gestalt der sog. Unionsmarken (bis 23. März 2016: Gemeinschaftsmarken) im Markenrecht bereits verwirklicht – diese gewähren durch nur eine einzige Eintragung einheitlichen Schutz in allen Ländern der Europäischen Union. Damit wird eines bereits deutlich: Der Schutzbereich von Unionsmarken, die nach einem Austritt Großbritanniens angemeldet werden, wird das Vereinigte Königreich jedenfalls nicht mehr umfassen.

Fraglich ist hingegen, ob der Brexit für bereits registrierte, bzw. sich im Anmeldeverfahren befindliche Unionsmarken in Großbritannien zu einem Rechtsverlust führen wird. Maßgeblich wird diesbezüglich nationales britisches Markenrecht sein, das es zu diesem Zeitpunkt noch nicht gibt, von dem aber bereits vermutet wird, dass es Übergangsbestimmungen enthalten wird, die eine Aufspaltung von Unionsmarken in ihren EU- und ihren britischen Teil erlauben werden, wobei eine Beibehaltung des Anmeldedatums der Unionsmarke zu erwägen sein wird.

Bei einem tatsächlich vollzogenen Austritt Großbritanniens aus der EU wären viele europäische Rechtsformen und Rechtsmittel auf das Vereinigte Königreich gerade nicht mehr anwendbar 

Ob es diesbezüglich ratsam ist, sicherheitshalber schon jetzt eine nationale britische Marke zusätzlich zur bereits bestehenden oder zumindest bereits angemeldeten Unionsmarke anzumelden, mag hauptsächlich vom Einzelfall abhängen. Während ein solches Vorgehen offensichtlich weitere Kosten und einen erhöhten Zeitaufwand mit sich bringt und es relativ wahrscheinlich ist, dass man ohnehin auf Regierungsebene versuchen wird, einen Rechtsverlust wie oben geschildert effektiv zu verhindern, ist eine derartige „doppelte“ Markenanmeldung im britischen Recht dennoch erlaubt und in bestimmten Fällen möglicherweise sogar zu empfehlen.

So spricht für eine zusätzliche Anmeldung einer nationalen, britischen Marke allgemein die Schnelligkeit und Sicherheit dieser Anmeldung und damit insbesondere Unabhängigkeit von späteren, etwaigen Übergangsbestimmungen. Vor allem in den Fällen, in denen z.B. die Priorität der Anmeldung einer Unionsmarke beansprucht werden kann (möglich innerhalb von 6 Monaten nach Anmeldung dieser), könnte eine zusätzliche Anmeldung in Form einer nationalen, britischen oder einer internationalen, Großbritannien umfassenden Marke dabei zu empfehlen sein. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Anmelder ohnehin einen besonderen Fokus auf eine Markennutzung im Vereinigten Königreich zu legen gedenkt oder sogar ein Verletzungs-, bzw. Löschungsprozess bevorsteht, dessen Erfolgschancen mit einer national abgesicherten, schwer angreifbaren Marke natürlicherweise steigen.

Diese Argumente lassen sich dabei auch auf die Überlegungen betreffend eine in nächster Zeit noch ausstehende Anmeldung einer Marke – entweder in Form einer kostengünstigeren Unionsmarke, die sich voraussichtlich automatisch oder zustimmungsbedingt aufspalten wird, oder in Form einer Unions- und zusätzlichen nationalen, britischen Marke – übertragen.

Sollten Sie hingegen erwägen, den Markenschutz Ihrer bereits bestehenden Unionsmarke, deren Schutzfrist abläuft, nicht durch Zahlung der Verlängerungsgebühr zu verlängern, da im Augenblick noch nicht mit Sicherheit gesagt werden kann, ob damit auch gleichzeitig der Markenschutz in Großbritannien verlängert werden wird, sollten Sie sich der Tatsache bewusst sein, dass sie damit ihre bereits bestehenden Rechte ggf. beschränken. So gelten neue Anmeldungen einer nationalen, britischen Marke – wenn nicht eine Priorität beansprucht werden kann – lediglich ab deren Anmeldedatum, womit ggf. eine Schutzlücke entstehen kann.

Für Markenanmeldungen nach Vollzug des Brexit wird es dabei jedenfalls für den Fall, dass der Anmelder Schutz sowohl in der Europäischen Union als auch in Großbritannien wünscht, höchstwahrscheinlich erforderlich sein, zwei separate Anmeldungen einzureichen, was wiederum zu erhöhtem Kosten- und Zeitaufwand führen dürfte.

Schließlich gilt noch zu bedenken, dass Unionsmarken in den übrigen Mitgliedsstaaten selbstverständlich ihre Geltung beibehalten. Probleme können sich diesbezüglich lediglich in den Fällen ergeben, in denen Unionsmarken bisher nur in Großbritannien selbst benutzt wurden und daher nach dem Brexit in Anbetracht der Nicht-Benutzungseinrede angreifbar erscheinen.

Einen weiteren Aspekt stellen hinsichtlich des Markenrechts abschließend noch die Regelungen bezüglich der Erschöpfung dar: Während die Europäische Union das Prinzip der regionalen Erschöpfung verfolgt (nur das Inverkehrbringen in einer bestimmten Region – hier: dem Europäischen Wirtschaftsraum – führt dazu, dass sich das inländische Recht erschöpft), hat Großbritannien bereits des Öfteren Unterstützung für das System der internationalen Erschöpfung geäußert (Inverkehrbringen in irgendeinem beliebigen Staat führt dazu, dass sich das inländische Recht erschöpft). Sollte Großbritannien sich dabei für ebendieses System entscheiden und damit aus dem Europäischen Wirtschaftsraum ausscheiden, könnten Marken in Zukunft genutzt werden, um Einfuhren aus dem Vereinigten Königreich in die EU (und umgekehrt) zu beschränken.

  1. Gemeinschaftsgeschmacksmuster

Ähnlich wie Unionsmarken bieten Gemeinschaftsgeschmacksmuster ebenfalls mit einer einzigen Anmeldung einheitlichen Schutz in allen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, womit auch der Schutzbereich sowohl eingetragener als auch nicht eingetragener Gemeinschaftsgeschmacksmuster nach einem Austritt des Vereinigten Königreichs dieses nicht mehr umfassen würde.

Auch ansonsten gilt das zu den Unionsmarken bereits Dargelegte entsprechend.

Hinsichtlich einer zu erwägenden Anmeldung eines sog. nationalen „design patent“ in Großbritannien sei dabei noch Folgendes zu ergänzen: Grundsätzlich ist eine solche Anmeldung innerhalb einer Neuheitsschonfrist von bis zu einem Jahr nach Veröffentlichung des Geschmacksmusters möglich, die Frist zur Beanspruchung einer Priorität beträgt jedoch ebenfalls 6 Monate. Die internationale Registrierung von Geschmacksmustern in Großbritannien ist dabei derzeit nicht möglich.

  1. Ergebnis und welche Schritte Sie aktuell einleiten sollten

Insgesamt lässt sich damit hinsichtlich der Auswirkungen des Brexit auf europäisch geprägte IP-Rechte festhalten, dass bei einem tatsächlich vollzogenen Austritt Großbritanniens aus der EU viele europäische Rechtsformen und Rechtsmittel auf das Vereinigte Königreich gerade nicht mehr anwendbar wären. So würden nicht nur potentielle Einheitspatente, Unionsmarken und Gemeinschaftsgeschmacksmuster Großbritannien nicht länger umfassen; auch europaweite Anordnungen jeglicher Art wären nicht länger anwendbar, woraus sich beispielsweise das Erfordernis getrennt geführter Prozesse für die Fälle ergäbe, in denen verletzende Handlungen sowohl in Gebieten der EU als auch in Großbritannien festgestellt würden. Gleichzeitig ist eine Ausweitung der Differenzen der bestehenden rechtlichen Grundlagen und der Rechtsprechung, welche nicht länger der obersten Rechtsprechung des EuGHs unterworfen wäre, zu befürchten.

Trotz allem bleibt eine Prognose hinsichtlich der konkreten Auswirkungen solange schwierig, wie insbesondere die Beziehungen Großbritanniens zur EU nach einem Austritt nicht abschließend geklärt worden sind.

Genau aus diesem Grund und weil derartige Ergebnisse noch bis zu zwei Jahre auf sich warten lassen dürften, ist aktuell grundsätzlich ein unverändertes Vorgehen zu empfehlen. Noch gehört Großbritannien der Europäischen Union an, noch entfalten Unionsmarken, Gemeinschaftsgeschmackmuster und europäische Bestimmungen auch im Vereinigten Königreich Wirkung und dies wird voraussichtlich auch noch einige Zeit so bleiben.

Lediglich in oben genannten Ausnahmefällen sollte ein Handeln hinsichtlich neuer Marken- oder Geschmacksmusteranmeldungen ggf. erwogen werden.

Abgesehen davon könnte es ratsam sein, bestehende Übereinkünfte mit Lizenz- und Franchisenehmern oder koexistenten Konkurrenten zu überprüfen und ggf. hinsichtlich der Terminologie des Territoriums oder potentieller Nutzungsgebühren anzupassen. Auch dürfte in manchen Fällen eine Überwachung neu angemeldeter Marken in Großbritannien für den Fall lohnenswert sein, dass von Dritten spekulative Markenanmeldungen von Zeichen vorgenommen werden, die bereits als Unionsmarke bestehen; auch wenn es diesbezüglich grundsätzlich nicht zu Kollisionen kommen dürfte, da eine Anerkennung der Priorität älterer Unionsmarken im Falle einer Aufspaltung ohnehin zu erwarten ist.

Schließlich erscheint es außerdem empfehlenswert, im Rahmen internationaler Anmeldungen sicherheitshalber die EU und Großbritannien separat zu nennen, um etwaige Konflikte zu vermeiden, sowie Vollstreckungsverfahren gegen laufende Verstöße in Großbritannien noch vor einem tatsächlichen Austritt einzuleiten.

Sollten Fragen offen geblieben sein oder Sie eine individuelle Beratung hinsichtlich der effektiven Geltendmachung Ihrer länderübergreifenden Schutzrechte wünschen, können Sie sich gern jederzeit an uns wenden.