Sie besitzen ein Verfahrenspatent und fragen sich, ob Ihre aus diesem Verfahren stammenden Untersuchungsergebnisse und Daten als Erzeugnisse einzustufen und damit dem derivativen Erzeugnisschutz gem. § 9 S. 2 Nr. 3 PatG zugänglich sind, von Ihnen also exklusiv beansprucht werden können?

Die Inhaberin eines Verfahrenspatents zum Nachweis einer Nukleinsäure, mit Hilfe derer sich ein schlechter Verlauf einer akuten myeloischen Leukämie voraussagen lässt, erhielt vom LG München im Jahr 2014 folgende Antwort:

Bei dem streitigen Untersuchungsergebnis[, welches hier als geschütztes Erzeugnis eines Verfahrenspatents beansprucht wird,] handelt es sich letztlich nur um eine Erkenntnis und kein Erzeugnis“ (LG München, GRUR-RR 2015, 93, 98).

In Anbetracht der Tatsache, dass § 1 Abs. 3 Nr. 4 PatG bekanntlich „die Wiedergabe von Informationen“  (d.h. der Vermittlung von Kenntnissen dienenden Mitteilungen) aus dem Kreis tauglicher Erfindungen, für die Erfindern Patentschutz gewährt wird, ausschließt, erzeugt dieses Zitat aus der Entscheidung des LG München I „FLT3-Gentest“ wohl bei den meisten deutschen Erfindern patentierbarer Verfahren – wie zum Beispiel Gentests, Screening- oder Diagnoseverfahren – Unwohlsein.

Bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts ist anerkannt: Ein durch ein geschütztes Verfahren hergestelltes Erzeugnis liegt nicht außerhalb der Erfindung, sondern bildet vielmehr den patentrechtlichen Abschluss des geschützten Verfahrens. Mit anderen Worten: Der Inhaber eines Verfahrenspatents soll den wirtschaftlichen Wert seiner Erfindung in angemessener Weise ausschöpfen können; das wiederum umfasst nicht nur die ihm vorbehaltene Anwendung des Verfahrens, sondern auch die exklusive Verwertung der eindeutig durch das Verfahren hergestellten Erzeugnisse.

Dementsprechend verbietet § 9 S. 2 Nr. 3 PatG jedem Dritten, ohne die Zustimmung des Patentinhabers „das durch ein Verfahren, das Gegenstand eines Patents ist, unmittelbar hergestellte Erzeugnis anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen.“

Wo genau zieht die Rechtsprechung nun aber die Grenze zwischen dem geschützten Erzeugnis eines patentierten Verfahrens und der ebenfalls aus einem solchen Verfahren stammenden, jedoch von jedermann verwertbaren Erkenntnis?

Grundsätzlich gilt: Körperliche, aus einem Herstellungsverfahren unmittelbar hervorgegangene Sachen sind Erzeugnisse i.S.d. § 9 S. 2 Nr. 3 PatG.

Der Frage, unter welchen Voraussetzungen in der heutigen, hochtechnologisierten Welt darüber hinaus auch nicht körperliche Erzeugnisse dem Erfinder vorbehalten sind (respektive sein müssen), um ihm zu erlauben, den Wert seiner Erfindung angemessen ausschöpfen zu können, widmeten sich dabei kürzlich nicht nur das eingangs erwähnte LG München, sondern in der Berufungsinstanz auch das OLG München und Ende letzten Jahres schließlich der Bundesgerichtshof (Rezeptortyrosin-Kinase II, Akz. X ZR 124/15).

Das Landgericht München hatte dabei auf der Grundlage der sogenannten „Videodaten“-Rechtsprechung des BGH aus dem Jahr 2012, wonach „eine [unkörperliche,] Videobilder repräsentierende Folge von Videobilddaten (…) als unmittelbares Ergebnis eines Herstellungsverfahrens anzusehen sein und als solches Erzeugnisschutz nach § 9 S. 2 Nr. 3 PatG genießen“ könne, die Grenzen des derivativen Erzeugnisschutz gem. § 9 S. 2 Nr. 3 PatG im Hinblick auf unkörperliche Gegenstände aufgestellt. Diese wurden im darauffolgenden Jahr durch das Berufungsurteil des Oberlandesgerichts München geringfügig verändert und lauteten damit:

„Auch unkörperliche Gegenstände können derivativen Erzeugnisschutz im Sinne des § 9 S. 2 Nr. 3 PatG beanspruchen. Voraussetzungen hierfür sind, dass der unkörperliche Gegenstand in gleichem Maße wie ein körperlicher Gegenstand [(1)] handelbar sowie [(2)]  mit Hilfe von Speicher- und gegebenenfalls auch Wiedergabemedien immer wieder benutzbar ist wie ein durch das geschützte Verfahren hervorgebrachter körperlicher Gegenstand; darüber hinaus muss er [(3)] auf Grund seiner Handel- und Wiederbenutzbarkeit einen Marktwert besitzen, der sich nicht durch eine einmalige Informationsübermittlung erschöpft“ (LG München, GRUR-RR 2015, 93).

Dementsprechend genießt eine Videobilder repräsentierende Folge von Videobilddaten, die mittels der dafür vorgesehenen Geräte ausgelesen und wahrnehmbar gemacht und damit (wie körperliche Gegenstände) beliebig oft bestimmungsgemäß genutzt und mit einem gewissen Marktwert gehandelt werden können, ebendiesen derivativen (von lateinisch: derivativus = abgeleiteten) Erzeugnisschutz.

Der Anwendungsbereich des § 9 S. 2 Nr. 3 PatG erstreckt sich [nach Auffassung des LG München und OLG München] hingegen nicht auf durch ein Verfahren hervorgebrachte Informationen, die bereits durch das menschliche Gedächtnis unkompliziert speicherbar sind und verbal kommuniziert werden können und deren wirtschaftlicher Wert sich durch die einmalige Informationsübermittlung erschöpft“ (a.a.O.). Eine solche Information – oder in den Worten des LG München „Erkenntnis“ – ist dabei ebendiese aus einem geschützten Verfahren gewonnene Information, ob ein bestimmtes Nukleinsäuremolekül vorhanden ist oder nicht; ein derivativer Erzeugnisschutz kam damit nach erst- und zweitinstanzlichem Urteil in diesem Fall nicht in Betracht.

Ob der BGH dieser Einschätzung des LG München und OLG München folgen oder den Erzeugnisschutz unkörperlicher Gegenstände nach seiner ersten positiven Entscheidung zu dieser Frage im Jahr 2012 weiter ausdehnen würde, wurde in der Patentbranche mit großer Spannung erwartet, handelt es sich doch um eine Diskussionsmaterie, die auch international von größter Brisanz ist. Dies wird bereits deutlich, betrachtet man nur diejenigen Stimmen, die die U.S.-Rechtsprechung, der Erzeugnisschutz (35 U.S. Code § 271 (g)) beschränke sich auf körperliche Gegenstände, während hingegen das Verbot der unbefugten Bereitstellung oder Anforderung eines wesentlichen Teils der Komponenten einer patentierten Erfindung (35 U.S. Code § 271 (f)) auch unkörperliche Gegenstände umfasse, (berechtigterweise) als widersprüchlich und überdenkungswürdig erachten.

Mit Urteil vom 27. September 2016 (X ZR 124/15) hat der BGH dem LG und OLG München nun Recht gegeben: Die Darstellung eines mittels eines patentgeschützten Verfahrens gewonnenen Untersuchungsbefunds und hieraus gewonnener Erkenntnisse stell[e](…) als Wiedergabe von Informationen kein Erzeugnis dar, das Schutz nach § 9 S. 2 Nr. 3 PatG genießen“ könne (BGH, GRUR-Prax 2017, 41).

Dabei wurde im Rahmen der höchstrichterlichen Entscheidung die von den vorigen Instanzen aufgestellte Voraussetzung, das Ergebnis des patentierten Verfahrens müsse in einer üblichen Form wahrnehmbar gemacht und auf diese Weise wie ein körperlicher Gegenstand beliebig oft bestimmungsgemäß genutzt werden können (s.o.), bestätigt.

Voraussetzend hinzugefügt hat der BGH jedoch auch das Erfordernis, dass die das Verfahrensergebnis verkörpernde Datenfolge „ihrer Art nach als tauglicher Gegenstand eines Sachpatents in Betracht kommen“ müsse. Dies sei „nur dann der Fall, wenn sie sachlich-technische Eigenschaften aufweis[e](…), die ihr durch das Verfahren aufgeprägt worden sind“.

So seien die Videodaten, die erfindungsgemäß zur Datenkompression in bestimmter Weise codiert waren, wegen gerade dieses technischen Merkmals einer besonderen Datenstruktur grundsätzlich auch einem Sachschutz zugänglich gewesen (– unerheblich bleibt dabei nach wie vor, ob der Gegenstand eines solchen Sachpatents selbst patentfähig ist).

Die vorliegende Datenfolge in Gestalt der Verfahrensergebnisse hingegen zeichne sich weder durch eine besondere (technische) Art der Darstellung aus, noch weise sie sonstige sachlich-technische Eigenschaften auf, die ihr durch das erfindungsgemäße Verfahren aufgeprägt worden wären. Sie sei lediglich dadurch gekennzeichnet, „dass die von den Daten verkörperte Information die erfindungsgemäß gewonnene Erkenntnis ent[halte]“.

Da jedoch – wie eingangs festgestellt – nach  § 1 Abs. 3 Nr. 4 PatG „die [bloße] Wiedergabe von Informationen“  (d.h. der Vermittlung von Kenntnissen dienenden Mitteilungen) aus dem Kreis tauglicher Erfindungen, für die Erfindern Patentschutz gewährt wird, ausgeschlossen sei, könne auch vorliegend ein derivativer Erzeugnisschutz für unkörperliche Gegenstände nicht erfolgreich geltend gemacht werden.

Eine derartige Begrenzung des Schutzes geistigen Eigentums sei erforderlich, um sicherzustellen, dass ebendieser gesetzliche Ausschlusstatbestand betreffend die (bloße) Wiedergabe von Informationen nicht unterlaufen und vom patentrechtlichen Schutz nur die Nutzung von Erfindungen, mithin von Lehren zum technischen Handeln, erfasst würden, nicht jedoch das bloße Ziehen von Vorteilen in Gestalt von Erkenntnissen aus diesem Handeln.